Grundlagen des nachhaltigen Bauens
Die Dimensionen des nachhaltigen Bauens – Was macht nachhaltiges Bauen aus?
Bezogen auf das Bauwesen ergeben sich für jede der drei Dimension Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft spezifische Zielsetzungen und Anforderungen. Die jeweilige Dimension bezieht sich stets auf den Lebenszyklus eines Gebäudes. Dieser umfasst:
- die Planungsphase
- den Bauprozess
- den Betrieb und die Instandhaltung des Gebäudes
- die abschließende Rückbau- und Recyclingfähigkeit des Gebäudes
Zusätzlich sollte bei der ökologischen Bewertung der gesamte Produktionsprozess aller verwendeten Baustoffe sowie deren Lagerung und Transport mit einbezogen werden. Dadurch lässt sich abschließend die sogenannte „graue Energie“ eines Gebäudes bestimmen, die sämtliche aufgebrachte Energie aller Prozessschritte mit einbezieht. Die zentrale Methode zur Bestimmung und Beurteilung der ökologischen Auswirkungen verschiedener Baustoffe stellt die Ökobilanzierung dar.
Erst die Betrachtung der drei Dimensionen über den gesamten Lebenszyklus erlaubt eine detaillierte und nachhaltige Bewertung der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, sowie der ökologischen und soziokulturellen Einflüsse. Denn je nach Lebenszyklusphase können sich unterschiedliche Auswirkungen ergeben, die merkbaren Einfluss auf die Gesamtbeurteilung haben. So führt z.B. die Installation von Photovoltaikanlagen in der Bauphase zu erhöhten Investitionskosten, langfristig kann sich jedoch die Wirtschaftlichkeit über die gesamte Betriebsphase des Gebäudes maßgeblich verbessern.
Ergänzend zu den drei Dimensionen kommt im Bereich der Nachhaltigkeitsbewertung von Bauwerken die Beurteilung der funktionalen und technischen Qualität hinzu. Diese Anforderungen ergeben sich aus der DIN EN 15643 „Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden“. Diese beiden zusätzlichen Qualitäten stellen dabei in der Regel Querschnittsaspekte dar, welche sich über alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit erstrecken können.
Zusätzlich empfiehlt es sich die Prozessqualität zu betrachten und zu beurteilen, denn bereits im Planungsprozess werden die ersten Grundsteine für ein erfolgreiches, nachhaltiges Gebäude gelegt. Darüber hinaus kann eine Optimierung der Prozesse dazu beitragen, dass in der Umsetzungsphase die geplanten Ziele auch wirklich erreicht werden.
Somit stehen alle Dimensionen und Qualitäten in Wechselwirkung zu einander und erfordern eine ganzheitliche Betrachtung und Bewertung. Zusammen stellen die fünf Faktoren daher auch die Bewertungskriterien der gängigen Nachhaltigkeitszertifizierungssysteme dar. Zusätzlich können noch die Standortmerkmale mit in die Bewertung einbezogen werden.
Hier steht die Ressourcenschonung durch das Bauen im Fokus.
- Reduzierung des Flächenverbrauchs
- Weniger Zersiedlung durch Innenentwicklung statt Außenentwicklung (bevorzugte Nutzung von Brachflächen/Baulücken/Leerständen statt Ansiedelung am Ortsrand)
- Verringerung von Bodenversieglung
- Ressourcenschonender Umgang mit Materialen
- Optimierter Einsatz von Baustoffen
- Ökobilanzierung als Instrument um die ökologische Auswirkung zu bestimmen
- Verwendung von nachhaltigen Baustoffen
- Verstärkte Kreislaufwirtschaft - Recyclingstoffe
- Minimierung des Energie- und Wasserverbrauchs
- Erhaltung und Förderung der Biodiversität
- Durch Vermeidung von Schadstoffausstößen
- Verringerung von Bodenversieglung und Schaffung von Ausgleichflächen
- Verringerung von Emissionen
- Während des gesamten Prozesses: Von der Produktion der Baustoffe über den Bauprozess bis zur abschließenden Energiebilanz des Gebäudes sowie dessen Rückbau & Recycling
Aus ökologischer Sicht sollte im Bausektor die Erhaltung und Modernisierung vom Gebäudebestand die oberste Priorität haben, da dies im Vergleich zu einem Neubau in der Regel deutlich positivere Auswirkungen auf die oben genannten ökologischen Zielsetzungen hat. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass nur, weil ein Vorhaben aus ökologischer Sicht vorteilhaft ist, es nicht zwangsweise nachhaltig sein muss. Hierfür müssen, wie oben erläutert, ebenfalls die ökonomischen und soziokulturellen Faktoren mit einbezogen werden. Dann kann im Einzelfall auch ein Neubauvorhaben insgesamt nachhaltiger sein, als die Erhaltung und Modernisierung vom Gebäudebestand.
Somit gilt es für jedes individuelle Vorhaben eine ganzheitliche Bewertung aller drei Dimensionen durchzuführen.
Hier steht die Minimierung der Lebenszykluskosten von Gebäuden im Fokus. Diese umfassen neben den Kosten für die Planung und den Bau eines Gebäudes, insbesondere die Folgekosten, also den Betrieb und die Instandhaltung, aber auch den Rückbau und die Verwertung des Gebäudes.
Erst die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus erlaubt eine vollständige und belastbare Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, da die Nutzungs- und Baufolgekosten erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit haben. Daher sollten bereits bei der Planung eines Gebäudes die gesamten Lebenszykluskosten über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren berücksichtigt werden.
Eine mögliche Beschaffungsvariante von Bauvorhaben ist daher das Lebenszyklusmodell, das eine gebündelte Übertragung von Planung, Bau, Gebäudemanagement und gegebenenfalls Finanzierung über einen Zeitraum zwischen circa 15 und 30 vorsieht. Mehr zum Lebenszyklusmodell erfahren Sie hier.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der ökonomischen Dimension ist die Optimierung der Wertstabilität. Eine höhere Bauqualität kann zur Wertstabilität beitragen und somit über den Lebenszyklus gesehen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit beitragen.
Die soziokulturelle Dimension bezieht sich auf die Wahrnehmung der Menschen und Nutzer sowie deren Anforderungen. Sie stellt neben sozialen Aspekten auch kulturelle Identitäten und Wertempfinden verbunden mit dem Gebäude in den Fokus und umfasst somit mehrheitlich immaterielle Werte.
Hierzu zählen z.B. der Einfluss auf die Mobilität, die Behaglichkeit und Nutzerzufriedenheit, die Gesundheit, aber auch die Funktionalität des Gebäudes und die Wahrnehmung der Gestaltungsqualität.
Des Weiteren fallen auch die Auswirkungen auf die Chancengleichheit und kulturelle Vielfalt unter die soziokulturelle Dimension. Damit bildet sie umfänglich die Sicherung von alters- und sozial- sowie bedarfsgerechtem Wohnen und Leben ab.
Technische Eigenschaften und funktionale Qualitäten haben in der Regel auf verschiedene Aspekte der drei Nachhaltigkeitsdimensionen einen Einfluss, sodass diese als Querschnittsqualitäten zu verstehen sind.
Unter die technische Qualität fallen z.B.:
- der Brand-/Schall-/Wärme-/Feuchteschutz,
- die Reinigung und Instandhaltung sowie
- die Rückbaufähigkeit oder die Widerstandsfähigkeit gegen Naturgewalten.
Die funktionale Qualität ist eng mit der soziokulturellen Dimension verbunden, denn die Bewertung der Funktionalität hängt von den entsprechenden Nutzungsanforderungen ab.
So fällt unter die funktionale Qualität z.B.:
- die Barrierefreiheit,
- die Innenraumgestaltung,
- das Raumkonzept,
- die Einbindung des Gebäudes ins Stadt-/Quartierskonzept durch entsprechende Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten sowie
- die Integration des Gebäudes in ein entsprechendes Mobilitätskonzept.
Wie die technischen Eigenschaften hat auch die Qualität der planungs-, bau- und betriebsbezogenen Prozesse einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit eines Gebäudes. Zur Prozessqualität zählen u.a. die Qualität der Projektvorbereitung, der Bauausführung, die Nutzerkommunikation oder auch die geordnete Inbetriebnahme.
Der Prozessqualität kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da durch eine hohe Qualität im frühen Planungsprozess bereits maßgeblich die Erfüllung der verschiedenen Dimensionen beeinflusst wird. Darüber hinaus hat die baubegleitende Ausführung einen entscheidenden Einfluss auf die tatsächliche Umsetzung der geplanten Qualitäten.
Somit stellt die Prozessqualität ein wichtiges Element zur Steuerung der anderen Qualitäten und Dimensionen dar.
Die Ökobilanzierung
Die Ökobilanzierung ist die zentrale Methode zur systematischen Analyse aller Umweltwirkungen und der Energiebilanz eines Produktes oder Produktesystems über den gesamten Lebenszyklus. Sämtliche Schritte der Produktion, der Nutzung und der Entsorgung sowie die damit verbundenen vor- und nachgelagerten Prozesse, wie Ressourcengewinnung, Lagerung und Transport werden mit einbezogen. Dies schließt neben dem Ressourcenverbrauch auch den Emissionsausstoß sowie mögliche Abfälle oder Schadstoffeinträge ein.
Indem der gesamte Primärenergiebedarf alle Prozesse erfasst, bildet die Ökobilanz auch die so genannte ‚graue Energie‘ mit ab. Das ist der Teil der Energie, der für die Errichtung sowie die Entsorgung eines Gebäudes benötigt wird.
Das Verfahren der Ökobilanzierung wird durch die DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 geregelt.
Die Ökobilanzierung erfolgt in vier Phasen:
- Definition von Ziel und Untersuchungsrahmen
- Erstellung der Sachbilanz
- Wirkungsabschätzung
- Auswertung
Die Ökobilanzierung ist auch das gängige Verfahren zur Bewertung der ökologischen Auswirkungen innerhalb der verschiedenen Nachhaltigkeitsbewertungssysteme im Bauwesen.
Bezogen auf das Bauwesen wird das Produktsystem „Gebäude“ analysiert. Damit umfasst die Ökobilanz nicht nur einzelne Baustoffe, sondern die gesamte Produkt- und Materialebene sowie alle zentralen Bauteile wie die Gebäude- und Konstruktionsebene.
Während in den Nachhaltigkeitszertifizierungssystemen die Ökobilanzierung nur für die Bewertung des realisierten Gebäudes vorgesehen ist, kann die Anwendung bereits während des Planungs- und Realisierungsverlaufs als Optimierungstool dienen. Bereits während der Planungsphase können verschiedene Varianten eines Gebäudes hinsichtlich der ökologischen Auswirkungen verschiedener Baustoffzusammensetzungen und unterschiedlicher zentraler Bauteile verglichen werden. Je früher dabei die Ökobilanzierung in den Planungsprozess eingebunden wird, desto größer ist das mögliche Optimierungspotential, das sich aus den gewonnen Ergebnissen ergibt.
Der Einfluss verschiedener Baustoffe auf die gesamte Ökobilanz eines Gebäudes kann durch einen Variantenvergleich ermittelt werden. Der Vergleich von zwei einzelnen Produkten, z.B. Baustoffen ohne konkreten Bezug zum Gebäude ist jedoch weniger aussagekräftig.
Der „Leitfaden zum Einsatz der Ökobilanzierung“ der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) zeigt auf, wie eine wiederholte Anwendung der Ökobilanzierung während der Planungsphasen zur Optimierung beitragen kann. Der Leitfaden richtet sich sowohl an Bauherren wie auch Planer und Nachhaltigkeitsauditoren. Darüber hinaus zeigt er neben einer kurzen Einleitung vor allem das Potential auf, das die Ökobilanz zur Verringerung von Umwelteinwirkungen besitzt und gibt einige praxisbezogene Tipps (s.a. DGNB Homepage).
Das finale Ergebnis der Ökobilanz stellt dabei aber keine abschließende Bewertung der Umweltschädlichkeit des untersuchten Produkts(-systems) dar, sondern gibt lediglich die Menge aller Umwelteinwirkungen an. Zur Bewertung der Umweltschädlichkeit bedarf es noch zusätzlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung der durch die Ökobilanz ermittelten Umwelteinwirkungen.
- Vorrangig ist hier die online Baustoffdatenbank Ökobaudat zu nennen, die für viele Baustoffe, Bau-, Transport-, Energie- und Entsorgungsprozesse Ökobilanzdatensätze frei zur Verfügung stellt.
- Das Fachinformationssystem WECOBIS stellt herstellerunabhängige umwelt- und gesundheitsrelevante Daten für einzelne Baustoffe über deren Lebenszyklus zur Verfügung. Es eignet sich ebenfalls zum Einsatz im Planungsprozess, um Ziele und Qualitäten der Baustoffauswahl festzulegen.
- Das Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU) bietet geprüfte Umwelt-Produktdeklarationen für verschiedenste Stoffe an. Diese geprüften Herstellerangaben können ebenfalls als Datengrundlage verwendet werden.
- Daten über die Nutzungsdauer von Bauteilen können dem Informationsportal Nachhaltiges Bauen entnommen werden.
- Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) stellt mit dem elektronischen Lebenszyklusanalyse Tool „eLCA“ (electronic life cycle assessment) ein kostenloses Tool zur Ökobilanzierung zur Verfügung. Die Ergebnisse von eLCA werden in allen deutschen Nachhaltigkeitsbewertungssystemen anerkannt.
Eine Kurzübersicht über die Inhalte, sowie Anwendungsmöglichkeiten der Baustoffdatenbank Ökobaudat und des Ökobilanzierungs-Tools „eLCA“ kann dem folgenden Flyer entnommen werden.
Bei Fragen hilft
Joachim Krabbenhöft
Machbarkeitsstudien, Wirtschaftlichkeitsanalysen