Geförderter Wohnraum
Endlich ein Zuhause
Nein, Bad Malente-Gremsmühlen mit seinen knapp 7.500 Einwohnerinnen und Einwohnern ist wahrlich keine Großstadt. Aber: Ja – das Problem des Mangels an bezahlbarem Wohnraum kennt auch der beschauliche Ort in der Holsteinischen Schweiz: „Es fehlt vor allem an günstigen Ein- bis Dreizimmerwohnungen“, weiß Birgit Runge. Die Immobilienmaklerin hat täglich mit der Nachfrage nach Mietwohnungen zu tun. Und buchstäblich vor der eigenen Haustür hat sie mit dem Bau eines Mietobjektes mit elf Wohnungen eine mehr als ansehnliche Antwort darauf gegeben. Seit dem 1. November 2018 leben die Mieterinnen und Mieter in dem Haus, dessen Grundstück an die Firmenadresse des Immobilienbüros Runge grenzt. Sie blicken ins Grün, auf die Schwentine, auf den Dieksee und genießen eine 1A-Lage nah dem Bahnhof und dem Ortszentrum.
Wo jetzt der moderne Bau im Grünen steht, verfiel zuvor über Jahre hinweg die Villa Bade. Vom früheren Glanz des historischen Gemäuers, das seinen Namen dem Mediziner Dr. Peter Bade verdankt, war am Ende nicht mehr viel zu erkennen: „Das war zuletzt ein richtiger Schandfleck“, erzählt Birgit Runge. Bis 2015 hatte die Tochter Peter Bades in der unteren Etage noch einige Räume bewohnt, nach ihrem Auszug in ein Pflegeheim blieb das Haus dann sich selbst überlassen. Bis sich die Geschwister Birgit und Ralf Runge im Familienrat entschlossen, die marode Immobilie samt dem 5.000 Quadratmeter großen Grundstück von der Erbengemeinschaft zu kaufen und dort Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen zu bauen.
Hinter dieser Entscheidungskraft steht ein unternehmerisches Verantwortungsbewusstsein, das weit über Gewinnorientierung hinausgeht. Das hat seine Wurzeln zu einem guten Teil in der Verbundenheit mit dem Standort: 2021 wird das Immobilienbüro Runge 50 Jahre in Bad Malente-Gremsmühlen ansässig sein. Birgit und Ralf Runge sind hier aufgewachsen, haben im Familienbetrieb ihr fachliches Rüstzeug erworben und kennen den Markt genau. Überraschungen erlebten sie als Bauherren dennoch. So war das angrenzende Wäldchen in der Zeit des Leerstandes über die Grundstücksgrenze hinausgewachsen. Und was die Runges mit verwildert beschrieben hätten, hatte für die Untere Waldbehörde den Status eines Waldes. Der allerdings musste für die benötigte Baufläche weichen: „Also haben wir die doppelte Fläche Wald innerhalb des Gemeindegebietes neu aufgeforstet“, so Runge.
Nachhaltig statt billig
Der Weg zur Finanzierung führte die Runges zur IB.SH. Deren Angebot überzeugte die Unternehmer-Geschwister: „Wir stimmten zu, nicht nur einige, sondern alle 11 Wohnungen über die IB.SH fördern zu lassen – mit einer Förderquote von 85 Prozent.“ Insgesamt belief sich das Fördervolumen aus Mitteln der Sozialen Wohnraumförderung auf 1.469.300 Euro. Darin ist neben einem Förderdarlehen auch ein Zuschuss in Höhe von 151.600 Euro enthalten. Als Gegenleistung für die Förderung gilt für die Wohnungen für 35 Jahre eine Mietpreisbindung.
„Es war uns wichtig, auch beim sozialen Wohnungsbau auf Nachhaltigkeit zu setzen und nicht so billig wie möglich zu bauen“, lautete das Credo der Bauherren. Und so entstand ein A+ Niedrigstenergiehaus, das über eine Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückkopplung verfügt und über eine Luftwärmepumpe in Kombination mit einer Gasbrennwerttherme beheizt wird. Und das mit einem Quadratmetermietpreis von 5,20 Euro eine Lücke in dem Segment füllt, das Birgit Runge und ihrem Bruder am Herzen lag.
Nur ein Jahr lag zwischen dem Abriss und dem Einzug der ersten Mieterinnen und Mieter am 1. November 2018: „Manche haben mit Tränen in den Augen den Mietvertrag unterschrieben“, erinnert sich die Eigentümerin. Voraussetzung für den Kontrakt ist die Vorlage eines Wohnberechtigungsscheines, ansonsten konnten und können die Runges als Vermieter frei bestimmen, wer eine der Wohnungen erhält. Bereut haben sie die Entscheidung, günstigen Wohnraum zu schaffen, nie: „Wir hoffen auf die Strahlkraft des Projektes und teilen unsere Erfahrungen gern mit Menschen, die auf ähnliche Weise aktiv werden wollen“, sagt Birgit Runge. Auf die Frage, ob für sie eine Wiederholung an anderer Stelle in Frage kommt, ist sie nicht um eine Antwort verlegen: „Der Bedarf ist da, und als Unternehmerin in meiner Branche schaut man immer mal nach links und rechts!“
Sankt Peter-Ording – einer der touristischen Hotspots Schleswig-Holsteins. Rund 2,5 Millionen Übernachtungen im Jahr hat die Gemeinde zu verzeichnen. Die meisten der etwas mehr als 2.600 Angestellten arbeiten hier in Hotels, Restaurants oder einer der fünf Kliniken. Viele von ihnen verdienen zu wenig, um sich die seit Jahren steigenden Mieten leisten zu können. Täglich pendeln deshalb gut 1.800 Menschen aus den Kreisen Nordfriesland und Dithmarschen in das beliebte Nordseebad, um dort ihrer Arbeit nachzugehen. „Einerseits sind wir natürlich stolz darauf, wirtschaftlicher Motor der Region zu sein, andererseits muss man auch sehen, dass ein Großteil der in Sankt Peter Ording Angestellten nicht hier lebt und folglich auch die Einkommenssteuer im jeweiligen Wohnort zahlt. Das ist für uns als Gemeinde natürlich ein Stück weit ärgerlich, weshalb wir die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sehr begrüßen“, sagt Bürgermeister Rainer Balsmeier.
Enormer Bedarf im ländlichen Raum
Im August 2017 hat die Firma Semmelhaack mit dem Bau von vier Wohngebäuden im Ortsteil Sankt Peter-Dorf begonnen. Nach vierzehnmonatiger Bauzeit kam schließlich Leben in die neu entstandenen Wohnungen. „Die Nachfrage war so groß, dass wir schon zu Beginn der Vermietungen mit einer Warteliste gearbeitet haben. Das zeigt den enormen Bedarf und die Notwendigkeit von Wohnraum auch für den kleineren Geldbeutel. Gerade in den ländlichen Räumen muss hier noch einiges getan werden“, stellt Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung bei Semmelhaack, fest. Insgesamt elf Millionen Euro sind in den Bau der Anlage geflossen. Für eine besondere Energieeffizienz sorgt eine Holzpellet-Anlage, über die alle Wohnungen zentral beheizt werden. „Außerdem sind die Räumlichkeiten barrierearm gestaltet, was unter anderem Fahrstühle in allen Häusern und ebenerdige Duschen beinhaltet“, erklärt Thede.
Um in eine der geförderten Wohnungen einziehen zu können, dürfen die Einkommen der Mieter die vorgegebene Grenze nicht überschreiten. Diese liegt derzeit für Einzelpersonen bei monatlich 1.700 und bei Paaren bei 2.342 Euro netto. Die anfängliche Miete pro Quadratmeter ist auf 5,95 Euro begrenzt. Die Mietpreisbindung gilt für 35 Jahre – das ist die Gegenleistung des Wohnungsbauunternehmens für die Förderung durch die IB.SH. Finanzierungspartner waren die KfW und die Sparkasse Westholstein.
Auch bei der Landespolitik stößt das Projekt auf große Gegenliebe. „Für einen Ort, der so stark vom Tourismus lebt, ist es wichtig, auch Menschen mit geringeren Einkommen Wohnraum zu bieten und somit die Zahl der täglichen Pendler zu reduzieren. Mit diesem Projekt hat die Gemeinde in beeindruckender Weise bewiesen, dass sie die Zukunft des Ortes und seine Entwicklung im Blick hat. Wohnen, Arbeiten und Tourismus stehen in einem guten Gleichklang“, betont Innenminister Hans-Joachim Grote. Und Bürgermeister Rainer Balsmeier ergänzt: „Als Tourismusort müssen wir uns im wachsenden Kampf um Fachkräfte von der Konkurrenz abheben, dazu gehört auch bezahlbarer Wohnraum für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Tatsache, dass 25 der geförderten Wohnungen an neu Zugezogene vergeben wurden, zeigt uns, dass wir auf einem richtigen Weg sind. Wir sind daher sehr dankbar für solche Fördermöglichkeiten und können uns für die Zukunft gut weitere Vorhaben dieser Art vorstellen.“
(Stand 2019)
„Die Nachfrage war so groß, dass wir schon zu Beginn eine Warteliste hatten. Das zeigt den enormen Bedarf und die Notwendigkeit von Wohnraum auch für den kleineren Geldbeutel. Gerade in den ländlichen Räumen muss hier noch einiges getan werden.“Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung bei der Firma Semmelhaack