Mikrokredit
Willkommen zum magischen Tête-à-Tête
Lübeck, Beckergrube – am historischen Giebel prangt in goldenen Lettern die Aufschrift „Zaubertheater“. Wer durch die große Eingangstür tritt, findet sich in einer anderen Welt wieder. Im gedämpften Licht stehen 40 rotsamtene Stühle im Halbrund, davor ein schwarzes Podest. Auf dieser Bühne, 1,20 Meter mal 80 Zentimeter groß, zaubert Roland Henning seit Oktober 2017.
„Begonnen hat alles mit einem Zauberkasten, den ich als Kind bekommen habe“, erinnert er sich. Einmal begonnen, hört der gebürtige Bernauer (bei Berlin) nicht mehr auf: er absolviert ein Volontariat bei einer Tageszeitung, kommt für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr nach Schleswig-Holstein und zaubert immer nebenbei. Und so läuft es, als er sich fragt, wohin es für ihn im Leben gehen soll, fast zwangsläufig auf die eine Antwort hinaus: „Ich will Zauberer sein.“ Er gründet eine Ich-AG, intensiviert Kontakte in die Szene, ist als „Nordzauberer“ auf Märkten präsent. Hier sammelt er Erfahrungen: „Man merkt sehr schnell, was vorführbar ist“, erklärt der 39-Jährige. Bald kommen Auftritte auf Privatfeiern dazu. Henning kann, wenn auch bescheiden, von der Zauberei leben.
2009 begegnet er Annika Ehly – natürlich beim Zaubern. Die beiden werden ein Paar, zunächst privat, dann beruflich. Ehly strukturiert Auftritte, Preise und Rahmenbedingungen, übernimmt die Kundengespräche, richtet die Kreativität auf Wirtschaftlichkeit hin aus. Und sie stellt die Frage, die beide Jahre später in das eigene Theater in der Beckergrube führen wird: „Was ist für dich die beste Auftrittssituation?“. Was er geantwortet hat, weiß Roland Henning noch genau: „Wenn die Leute zu mir kämen, zwei Zuschauerreihen, die richtige Atmosphäre für Close-up-Zauberei.“
Zunächst mieten die beiden eine Wohnung in der Lübecker Mengstraße an: 20 Plätze, Bauscheinwerfer, Flyer und selbstgemachte Plakate. Zur ersten Show kommen nur fünf Leute, da helfen die Privatauftritte, das Paar über Wasser zu halten. Aber wer Roland Henning einmal erlebt hat, kommt wieder und empfiehlt Freunden und Bekannten einen Besuch. Die Nachfrage wächst beständig, das Wohnungstheater wird zu klein. Auf der Suche nach einer geeigneten Alternative stoßen Ehly und Henning auf die leerstehenden Räume in der Beckergrube. Nach der Besichtigung und mit Blick auf die Monatsmiete von insgesamt 6.000 Euro steht fest: Wo zuvor die Kneipe „Dr. Rock“ untergebracht war, soll das „Zaubertheater“ einziehen. Eine Entscheidung, die neben vollem Einsatz solide Finanzen verlangt.
Vor der Vergrößerung wird ein professioneller Unternehmensberater einbezogen: „Er hat uns zu einem Mikrokredit der Investitionsbank Schleswig-Holstein geraten. Das hat uns mehr Spielraum eröffnet und eine nachhaltigere Planung ermöglicht“, erläutert Ehly. Die 25.000 Euro fließen zusammen mit Ersparnissen in die Umgestaltung des Hauses. Viele Arbeiten werden in Eigenleistung erledigt. Der Zeitplan stimmt: Im April 2017 gestartet, kann zur Lübecker Theaternacht am 7. Oktober geöffnet werden. Bereits um 16 Uhr stehen die Besucher Schlange. Sechs bis acht Mal in der Woche zeigt Henning seine Show, im Februar und März im Schnitt fünf Mal, im Sommer wird pausiert. Der Mietvertrag ist auf acht Jahre angelegt, ein geplanter Umbau soll die Location perfekt machen. Perfekt ist schon jetzt die magische Illusion, mit der Roland Henning sein Publikum in jeder Show verzaubert.
(Stand 2018)